Das Privacy Magazine "prima" wird vom Berliner Datenschutzbeauftragten zusammengestellt und herausgegeben. Die regelmäßigen - an Wochentagen täglichen - Ausgaben enthalten eine Übersicht von datenschutzrelevanten Berichten der (von uns) ausgewählten Berliner und überregionalen (deutschen) Presse.

Abkürzungen der ausgewerteten Tageszeitungen

Ausgabe vom 26. November 1998

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"Vorbild Bayern
Auch Otto Schily läßt surfen: Das Bundeskriminalamt richtet eine Sonderdienststelle zur 'anlaßunabhängigen Kontrolle' des Internets ein...
Zwar warnen Datenschützer schon länger vor solchen Plänen. Ermittlungen gegen beliebige Personen ohne konkreten Tatverdacht sind kaum mit dem Schutz der Privatsphäre vereinbar. 'Anlaßunabhängige Kontrollen' seien auch im Internet 'ein diffiziles Gebiet', sagte letzte Woche auch der Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein ...Nach dem Wunsch vieler Politiker und Kinderschutzinitiativen sollten die Fahnder auch eigene Angebote ins Netz stellen dürfen, um Konsumenten zu ermittlen und zu bestrafen - dies tut das FBI ... Durch die Protokolle der Provider und des Servers kann die Identität ermittelt werden." taz 26.11.98 S. 19

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"Die rote Karte gibt es künftig schon vor dem Foul
Geplante Verschärfung des Polizeigesetzes umfaßt auch die Einführung von mehrtägigen Aufenthaltsverboten. SPD gibt Weg für verfassungsrechtlich umstrittene Gesetzesänderung frei ... Die SPD hat die Vorschläge ihrer InnenpolitikerInnen, verdachtsunabhängige Kontrollen punktuell vorzunehmen, auf ihrer Fraktionssitzung am Dienstag abend zustimmend zur Kenntnis genommen." taz 26.11.98 S. 21

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"Watching you
Spähangriff auf den Bürger ... Im Herbst 1998 ist er zum ersten Mal vergeben worden, der 'Big Brother Award', symbolisiert als Stiefel, der sich in ein menschliches Antlitz drückt - George Orwells in Plastik gegossenes Bild der Zukunft. 'Preisträger' ist unter anderem die Verwaltung des Londoner Stadtteils Newham, in dem mit Hilfe von 140 Straßenkameras ein Gesichtserkennungssystem automatisch 'Kriminelle' aus der Menge fischen soll. Verbrechensbekämpfung mit modernsten Mitteln - oder der direkte Weg zum Überwachungsstaat? ... Die erweiterten Einsatzmöglichkeiten spielen sich in mehreren Bereichen ab. Etwa um via automatische Schrifterkennung Kfz-Kennzeichen bei Parkhauseinfahrten oder Mautstellen zu lesen. Die Schrift auf den neuen EU-Autoschildern wurde ja bereits auf eine leichte digitale Erfassung hin gestaltet. Im Abgleich mit einer Datenbank sind dann nicht nur berechtigte Dauerparker identifizierbar. ... Digitale Bewegungssensoren ermöglichen nicht nur die Wahrnehmung von Veränderungen in bestimmten Regionen, sondern auch eine 2D-Verfolgung. ... Die Bewegung von Personen in Zimmern oder auf Plätzen läßt sich in dieser Weise nachverfolgen. ... Die digitale Bildbearbeitung findet auch bei der Zutrittskontrolle Einsatz: Gibt eine Person in einen Terminal einen Geheimcode ein, kann gleichzeitig das Videobild des Gesichts aufgenommen werden... Zum Einsatz kommen ... Identifikationssysteme bereits an Geldautomaten ... im englischen Peterborough ein flächendeckendes Viedeoüberwachungssytem mit CCD-Kameras ... Das Kamerasystem wurde unter Beteiligung der British Telecom installiert und ist mit den Polizeizentralen verbunden. Gekoppelt mit einer Gesichtserkennungssoftware könnten einzelne Personen dann auf ihrem Weg durch die Stadt und öffentliche Gebäude nahtlos verfolgt werden. ... Die Kombination Face-VACS und CCD-Kamera findet sich bereits in Hochsicherheitsbereichen der Industrie (auch die Deutsche Bahn AG hat Interesse signalisiert, es auf ihren Bahnhöfen einzusetzen) ... Bereits vor drei Jahren in der Entwurfsphase für das neue 'Terminal 5' des Londoner Heathrow-Flughafens wurde ein Kamerasystem mit automatischer Gesichtserkennung eingeplant. Das System kann polizeilich gesuchte Personen identifizieren - ein Datenabgleich z.B. mit Interpol genügt, um Alarm auszulösen. ... sollen bereits in zwei bis drei Jahren weltweit in Flughäfen die Paßkontrollstellen mit biometrischen Fingerabdruckerkennungssystemen ausgestattet sein. ... Gesichtserkennungssystem 'Mandrake' ... Seit September 1998 setzt man Mandrake in Kombination mit 140 festinstallierten Videoüberwachungskameras und 11 mobilen Einheiten in mehreren Einkaufszentren im Londoner Bezirk Newham ein. Sobald ein Konterfei erkannt wird, kommt es zum Alarm. ... Der schrecklichste Mißbrauch von CCTV-Filmmaterial wurde bislang von der chinesischen Regierung begangen. CCTV-Kameras hatten die demokratischen Massenkundgebungen ... auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking aufgezeichnet. ... Nach dem Massaker wurden mit Hilfe des aufgezeichneten Filmmaterials die angeblichen Rädelsführer ermittelt und daraufhin eingesperrt oder hingerichtet. ... Während es in Großbritannien keinerlei gesetzliche Regelungen gibt, sind die Kameras in Dänemark schlichtweg verboten. Schweden, einst erbitterter Gegner derartiger Überwachungstechnologien, will seine Datenschutzgesetze lockern, um öffentliche Überwachung zu erlauben. Simon Davies von 'Privacy International' fordert angesichts der aktuellen Entwicklungen ein sofortiges Verbot für drei Kategorien von CCTV-Ausrüstung: Zum einen für automatisierte Gesichtserkennungssysteme, welche die durch Kameras aufgenommenen Gesichter mit einer Gesichts-Datenbank abgleichen. Des weiteren für Audio- und Infrarotsysteme sowie Geräte, die außerhalb des sichtbaren Lichtspektrums arbeiten. Davon wären auch die FLIR-Apparaturen (Forward Looking Infra Red Radar) betroffen, die Aktivitäten hinter Mauern entdecken können. Schließlich sollten auch Miniatursysteme für die verdeckte Überwachung verboten werden. ... Darüber hinaus regte Davies weitere Maßnahmen an, um Mißbrauch zu verhindern: So sollten zum Schutz der Betroffenen Datenschutzbeauftragte künftig bei der Errichtung und dem Betrieb von Videoüberwachungssystemen einbezogen werden und der Verkauf oder Transfer von solcherart Videobildern verboten werden. ...In Deutschland fordern die Bundesdatenschutzbeauftragten seit fast fühnfzehn Jahren erfolglos gesetzliche Regelungen. ...Die gesetzliche Lage ist desolat. ... Vom Recht am eigenen Bild ... bis zum Wegerecht, mit dem eine Genehmigung für Kameras über öffentlichem Grund als 'Sondernutzung' verlangt werden kann. Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1987, das festgestellt hatte, daß das Persönlichkeitsrecht 'vor einer lückenlosen technischen Überwachung am Arbeitsplatz durch eine heimliche photographische Kontrolle' schütze. ... In einem vierzig Jahre alten Urteil des Bundesgerichtshofs heißt es, daß wer fürchten müsse, heimlich überwacht zu werden, der könne'das lähmende und seine Menschenwürde beeinträchtigende Gefühl eines Preisgegebenseins' kaum überwinden." c`t 1998, Heft 24

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"In die Röhre geguckt
Unerwünschte Abstrahlung erlaubt Lauschangriff ... Kurz nachdem ein unscheinbarer Lieferewagen eine Zeitlang im Gewerbegebiet patroulliert hatte, wurden bei Hausdurchsuchungen in verschiedenen Firmen eine größere Zahl Computer mit nichtlizenzierten Programmen beschlagnahmt. Wie sich später herausstellte, hatte jeder PC per 'Softwaresender' eine verräterische Lizenzinformation ausgestrahlt.... Auch wenn diese Schilderung fiktiv ist: technisch wäre sie möglich." c`t 1998 Heft 24

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"Die Schwärzung von Namen in den Stasi-Akten wird verschoben
Bonner Koalition will mit Verlängerung des Automatisierungsverbots Bedenken von Bürgerrechtlern Rechnung tragen ... Wie die Frankfurter Rundschau am Mittwoch aus dem Bundeinnenministerium erfuhr, sollen Anträge auf Anonymisierung personenbezogener Informationen nicht schon vom 1. Januar 1999 an - wie es im geltenden Gesetz steht -, sondern erst ab 1. Januar 2003 gestellt werden dürfen. Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, bestätigte der FR, Fachleute der rot-grünen Koalition hätten sich 'verständigt, die Anonymisierungsvorschrift zu verlängern, und das Gesetz zügig zu verabschieden'." FR 26.11.98 S.1

"Stasi-Akten
Namen in Stasi-Akten dürfen vorerst nicht geschwärzt werden, auch wenn Betroffene es selbst wünschen." BerlZtg 26.11.98 S.6

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"Aktenlektüre nur von geringem Interesse
Möglichkeit zur Einsicht läßt Brandenburger kalt ... Der Landtag hatte im März das Gesetz zur Akteneinsicht verabschiedet. Ermöglicht wird seither den Bürgern der Zugang zu den Aktenschränken in den Verwaltungen ... Weder auf Bundesebene noch in den Ländern gibt es bisher eine solche Regelung . In der Landesverfassung verankert wurde das Einsichtsrecht bereits 1992 durch die damalige Ampelkoalition." ND 26.11.98 S. 20

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"Gonzalo Fernandez de Cordova,
spanischer Volkswirt, und seine 23jährige Tochter Ana haben mit einem schlechten Scherz ganz Spanien in Aufruhr versetzt. In einer e-mail hatten die beiden Touristen ihren Verwandten mitgeteilt, in Chile von Anhängern des früheren Diktators Augusto Pinochet entführt worden zu sein. Als de Cordova klar wurde, daß die Nachricht über Internet weite Kreise ziehen würde, setzt er sich mit den Behörden in Verbindung." SZ 26.11.98 S. 12


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